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01.05. - 04.05.2008
Kata Special! - Wenn man als Karate-Anfänger diesen Begriff hört, weiß man nicht so recht, ob einem das Herz in die Hose rutschen, man vor Ehrfurcht erstarren oder man einfach ganz cool bleiben soll.
Mit diesem Ereignis verbinden sich viele Anekdoten über spezielle Trainingseigenheiten hoch graduierter Karatelehrer - wie Shihan Ochi oder Sensei Osterkamp, die den Ruf haben, viel zu können, viel zu vermitteln, aber auch sehr streng zu sein.
Kata Special! - Hierbei handelt es sich um einen viertägigen Karatelehrgang, bei dem sich ausschließlich alles um das Üben des Kerns des Karate, der Kata (Form) dreht. Und dies bedeutet nicht weniger, als dass man auch mit schwierigen, für viele bisher unbekannten Katas konfrontiert wird.
In unserem Verein - Jiriki Gäufelden - hatte sich eine Gruppe von neun Teilnehmern entschlossen, dieser Herausforderung die Stirn zu bieten.
Und wie es so ist wurden Freiwillige gesucht, die als Extraleistung noch Fingertraining auf der heimischen PC-Tastatur absolvieren.
Also entschlossen wir uns (Karin und ich), die diesjährige Veranstaltung aus Sicht von Karateanfängern zu schildern.
Das diesjährige Ereignis fand vom 01.05. bis zum 04.05.2008 in Schweich an der Mosel statt. Die Fahrt dorthin traten wir neun am 30 April um 15:30 Uhr an.
Wir - das beschreibt eine Gruppe, welche von unserem Sensei Heiko Zimmermann (3. Dan) bis hinunter zu uns Orangegurten ein weites Spektrum an unterschiedlichen Leistungständen abdeckte.
Auf die Idee an diesem langen Wochenende zu vereisen, kamen anscheinend auch andere, so quälten wir uns durch vielfältige Staus bis nach Schweich, wo wir spät am Abend ankamen. Danach blieb nur noch Zeit, um die Nachtquartiere (das waren die Übernachtungshalle und der am Moselufer gelegene Campingplatz) aufzusuchen.
Donnerstag morgen, um frühe 07:30 Uhr, waren wir (Karin und ich) aus den Betten. Da unser erstes Training erst um 09:30 Uhr begann, hätten wir noch länger schlafen können, nur geht das eben schlecht, mit Ameisen im Bauch.
Sollten wir doch heute zum ersten mal Leuten wie Shihan Hideo Ochi (8. Dan, JKA Chief Instruktor, Träger des Bundesverdienstkreuzes), Shihan Tatsuya Naka, Sensei Toribio Osterkamp und Sensei Julian Chees begegnen und von ihnen trainiert werden.
Wer unsere Aufregung nachempfinden möchte, der muss sich nur vorstellen, er spiele Fußball, und das kommende Training würden Beckenbauer und Klinsmann gemeinsam leiten - Wow!! - gell?
Durch die unterschiedlichen Leistungsklassen unserer Gruppe wurden wir in drei verschiedene der sechs vorhanden Klassen eingeteilt. Die einzelnen Klassen hatten zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Hallen Training. Für unsere Gruppe ergaben sich so zwei 90-minütige Trainingseinheiten, welche um 09:30 Uhr und um 14:00 Uhr begannen.
Kurz vor dem ersten Training stieg die Spannung, die Ameisen mutierten zu mindestens Maikäfern! Wer wird unser erster Trainer sein?
Es war: Shihan Tatsuya Naka, einem JKA-Instruktor (6. Dan) aus Japan. Mir war ganz feierlich zumute.
Tatsuya Naka sprach kein Deutsch und hatte deshalb einen Dolmetscher an seiner Seite. Dies stellte kein wirkliches Problem dar, weil Tatsuya Naka die Übungen so überzeugend und ausdrucksstark vorführte, dass man auch ohne große Erklärungen verstehen konnte, um was es ihm im Einzelnen ging. Trotzdem war es interessant, den sehr bildhaften Formulierungen, die auch dem Dolmetscher manchmal Kopfzerbrechen bereiteten, zu folgen. Naka betonte, dass er uns mit tieferliegenden Aspekten des Karate vertraut machen möchte, wie sie sonst erst bei höheren Kyu oder Dan-Graden von Bedeutung sind. Dazu gehörte eine sehr eindrucksvolle Demonstration von falscher und richtiger Atemtechnik (es fiel der Begriff ’über die Fußsohlen einatmen’), über das Umsetzen von potentieller Energie in Bewegung sowie Erläuterungen zum Kräftefluß bei den einzelnen Bewegungsabläufen.
So erläutert versteht man sofort, warum unsere Trainer bei Kata-Übungen immer wieder betonen, wie wichtig auch kleine, unscheinbare Details in der Bewegung, im Stand, im formalen Ablauf sind: Alles hat seine seit langer Zeit optimierte Bedeutung.
Vieles von dem was Shihan Naka vorführte war neu und alles war spannend, so war die erste Traingseinheit im nu vorbei.
Die Pause bis zur zweiten Trainigseinheit um 14:00 Uhr wurde genutzt, um die Karate-Gi zu trocknen, sich das Gelernte nochmals vor Augen zu führen, sich mit anderen Karatekas über die ersten Eindrücke auszutauschen und über neu gelernte Techniken zu fachsimpeln
Ausgeruht und voller Tatendrang drängten wir pünktlich zu Beginn der zweiten Lerneinheit in die Halle. Unser Trainer für diese Einheit war Sensei Julian Chees, er nutzte die 90 Minuten, um uns einige der Feinheiten der Kata Heian Godan, die für uns Anfänger erst in einigen Jahren Bestandteil einer Prüfung sein wird, zu erklären; und das Üben kam auch nicht zu kurz.
(Julian Sensei mit der Kata Hangetsu)
Am Abend trafen sich alle Vereinsmitglieder zu einem geselligen Beisammensein in einem griechischen Restaurant in Schweich. Dort gab es zum Abschluß für die "Erwachsenen" einen Schnaps, für die ’Kleinen’ dagegen einen Lutscher (es darf gelächelt werden, die Betroffenen wissen warum).
Warum muss ein Tag immer mit dem Aufstehen anfangen? Aber nach der ersten Tasse Kaffee sah das Leben schon wieder viel versönlicher aus.
Der Trainer für die erste Trainingseinheit war Toribio Osterkamp. Sensei Osterkamp hat den Ruf, ein zuweilen sehr strenger Lehrer zu sein. Dies kann ich bestätigen, allerdings nur mit der Einschränkung, daß ich die strenge Ahndung von Verstößen gegen die Etikette eher begrüßt habe. Im Karate liegt für Anfänger soviel verborgenes Wissen, daß man einfach auch lernen muß, hinzunehmen, was man nicht versteht; trainieren statt diskutieren!
Mit der für Karin und mich völlig neuen Kata Tekki Shodan und einer schnellen Zählweise brachte mich Sensei Osterkamp schnell an die Grenze meiner Konzentration, irgendwas machte ich immer falsch. Nach der zehnten Wiederholung ging es dann schon besser, nur zu schnell durfte es nicht gehen. In dem Augenblick, indem ich nachdenken mußte, hatte ich auch schon wieder den Faden verloren.
Aber - für was gibt es denn die Mittagspause?
Zur wohlverdienten Mittagspause trafen wir uns auf dem Campingplatz bei herrlichem Wetter, Sonne und blauer Himmel und kräftige, aber nur sehr kurze Schauer.
Wir machten uns Würstchen warm und zwischen Futtern und Quasseln halfen wir uns gegenseitig dabei, die eben gelernten Neuheiten aufzufrischen.
Und dann - dann war es soweit: Im Nachmittagstraining traf ich zum ersten mal auf Shihan Hideo Ochi! Diese Mann hat mich stark beeindruckt, dauernd lächelnd, mit viel Humor, auf Kleinigkeiten achtend hat uns Shihan Ochi die vorher behandelte Tekki Shodan weiter nähergebracht, indem er einzelne Abschnitte tiefer erläuterte und Anwendungsbeispiele (Bunkai) vermittelte.
Anschließend ging Shihan Ochi mit uns alle fünf darunterliegenden Katas durch. Die Vielfalt dieser Katas mit ihren eigenen Schwerpunkten und Rhythmen sauber auszuführen stellte eine große Herausforderung dar. Für uns kann ich sagen, dank der vermittelten Kenntnisse und des guten Trainings durch unsere Trainer im Dojo Jiriki waren wir bestens vorbereitet, konnten zumindest den Ablauf aller dieser Katas und so war es möglich, während des Trainings an Verbesserungen zu arbeiten.
Besondere Konzentration verlangte das mit geschlossenen Augen und spiegelverkehrte Laufen der Kata Heian Nidan.
Dabei erinnere ich mich besonders an zwei Momente:
Der Erste - voll konzentriert stehen alle nach der letzen ausgeführten Bewegung und warten auf das nächste Zählkommando, es ist still.
Da flüstert mir eine Stimme in's Ohr: ’links’.
Nach kurzem Nachdenken dämmert es mir und ich strecke statt dem rechten den linken Arm aus - Danke Ochi Sensei!
Der Zweite - .’ ...vier!’, ’AUA!’
Wenn man blind die verkehrte Richtung einschlägt ist das für Mitrainierende anscheinend nicht ohne ein gewisses Risiko.
Der dritte Trainingstag war irgendwie schon Routine, allerdings bezog sich das nur auf das Aufstehen sowie den weiteren formalen Ablauf, ganz sicher nicht auf die Katas, die heute auf dem Lehrplan standen.
Das waren: Bassai Dai unter Sensei Ochi und Kanku-Dai unter Sensei Naka.
Hier muss ich ehrlich gestehen, diese Katas fanden wir unglaublich interessant, aber es wäre wohl der falsche Ehrgeiz diese Katas auch schon können oder gar verstehen zu wollen. Karate-Do beschreibt den Weg, der im Karate zu gehen ist und auch hier gilt: ein Schritt folgt dem anderen!
Zum Ausklang des dritten Tages fand eine Abschlußparty mit Karaoke und japanischen Köstlichkeiten statt. Auch Shihan Ochi und Shihan Naka waren sich nicht zu schade, ihre gesangliches Können zu präsentieren, indem sie auf der Bühne japanische Lieder zum besten gaben, ohne den Text abzulesen und ohne musikalische Unterstützung! Es war sehr schön, die ehrwürdigen Meister so ungezwungen und ausgelassen feiern zu sehen.
Wir durften an diesem Abend bis nach Mitternacht ausharren, da wir es uns nicht entgehen lassen wollten, auf der Party in den 18. Geburtstag von Verena Bayer, Karateka unseres Vereins, hineinzufeiern.
Nach gebührender Feier der jungen Erwachsenen galt es die Fahrt zurück zu den Schlafplätzen zu organisieren und der Nacht noch ein möglichst großes Stück zum Schlafen abzugewinnen, da die letzte Trainingseinheit am Sonntag Vormittag zur gewohnten Zeit begann.
Der Abend hinterließ wie befürchtet seine Spuren, und so wurde jeder zehnte Schweißtropfen des letzten Trainings als Tribut für die lasterhaften Ausschweifungen gezollt.
Sensei Osterkamp brachte uns zum Abschluß vertiefte Inhalte der Kata Tekki Shodan näher, viele Anwendungsbeispiele (Bunkai) wurden intensiv mit dem Partner geübt.
Müde und abgekämpft, aber zufrieden und um um viele Erfahrungen reicher traten wir die Heimfahrt an.
Erkenntnis: Der beste Weg, schwierige und anspruchsvolle Aufgaben zu lösen ist, es einfach zu versuchen. Man stellt dann oft fest, daß man mehr kann, als man vorher zu denken wagte.
Wenn man etwas wirklich will, dann schafft man viel aus eigener Kraft!
Aus eigener Kraft, so lautet auch die Übersetzung von Jiriki.
Oss!
Karin und Günther