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Ein trüber Wochenendtag mit regenverhangenen Wolken - aber was kann es auch besseres geben als diesen dann, mit vielen gleichgesinnten Karateka, in einem schönen Dôjô durchzuschwitzen?
„Kumite tut nicht weh!“ lautete die große Überschrift und das seit langem hochgehaltene Motto der Kumite-Lehrgänge von Ronny Repp Sensei (6. DAN und DJKB-Instructor). Neugierig auf den, in unserem Dôjô, noch unbekannten Trainer zog es uns diesmal in die schöne Ostalb, um dort, im Karate-Dôjô Keiko Leinzell, unsere Kenntnisse im Kumite zu verbessern.
Nach einer freundlichen Begrüßung, durch den Dôjô-Leiter Wolfgang Betz, durften wir sogleich als neugierige Zuschauer beim Training der Kinder und Jugendlichen zuschauen. Sofort war die angenehme Atmosphäre des Trainings, bei dem alle Gürtelstufen nur getrennt nach Kinder und Jugendlichen bis 14 Jahre sowie die Junggebliebenen darüber, gemeinsam trainierten, klar zu spüren.
Das Talent von Repp Sensei, den Lehrstoff - auch sperrigen - locker und lustvoll zu vermitteln, beschränkt sich nicht nur auf den Umgang mit Kindern, zeigte sich dort aber an einem besonders schönen Beispiel.
In der „Kindergruppe“ wurden Mae-Te-Zuki Chudan geübt und Meister Repp erklärte den kleinen Kämpfern, dass es dabei vorkommen könne, dass man im Bauchbereich getroffen wird. Um die Trefferwirkung gering zu halten, sollen sie die Bauchmuskeln anspannen. Nur, wie erklärt man Kindern, wie man kurz die Bauchmuskeln anspannt?
Die Lösung von Ronny Repp muss ich mir unbedingt merken, deshalb gebe ich sie hier detailliert zum Besten.
„Legt einmal eure Hand unter dem Gi direkt auf euren Bauch, so, und jetzt lacht einmal:
Ha!, Ha!, Haha! - spürt ihr, wie der Muskel sich kurz anspannt?
Wenn euer Partner zuschlägt, lacht ihn einfach aus: Ha!
In der japanischen Sprache heißt 'Ha' Ki-Ai, also zwei Silben. Aber ihr dürft deshalb jetzt nicht zum Anspannen des Bauches Ki-Ai! rufen.
Ihr wisst alle, dass Hunde bellen, aber habt ihr schon einmal einen Hund gehört, der „Bell, bell“ ruft?
Ein Hund macht ha! ha! und nicht bell-bell!“
Damit hatte Meister Repp die Lacher auf seiner Seite und bei der nachfolgenden Übung war selbst von Teilnehmern, die sonst beim Ki-Ai aus Scham den Mund nicht aufbekommen, ein freudiges und klares „Ha!“ zu hören.
In der nächsten Trainingseinheit waren wir an der Reihe. Nach lockerem Aufwärmen wurden zunächst vermeintlich einfache Übungen auf die exakte Zielregion Jodan und Chudan durchgeführt. Hierbei galt es aber besonders exakt und ohne Kontakt auf das wenige Quadratzentimeter kleine Zielfenster des Kinns, Nase, Oberkiefer sowie des Sonnengeflechts, auch bekannt als Solarplexus, mit Kizami- und Gyaku-Zuki zu treffen.
Unter mehreren Gesichtspunkten wurden diese Übungen vertieft und in steigender Geschwindigkeit und Intensität an diesem Vormittag geübt:
Zunächst galt es dem Motto gerecht zu werden: „Kumite tut nicht weh!“. Mit der Verbeugung vor dem Trainingspartner unterstreichen wir bekanntlich den gegenseitigen Respekt. Jedoch haben trotzdem viele Karateka ein banges Gefühl wenn nicht sogar Angst vor einem Kumite-Training. Aus Unachtsamkeit, Müdigkeit und geringer Trainingserfahrung resultieren doch immer wieder blutige Nasen, aufgeplatzte Lippen und Augenbrauen. Mit dem, von Ronny Repp hervorragend ausgearbeiteten, gemeinsamen Training aller Gürtelstufen wurden alle kollektiv an die anschließenden Trainingsinhalte herangeführt. Fortgeschrittene Karateka wurden wieder „eingebremst“ und bei den Anfängern gleichzeitig, durch den bedachten Beginn, das Vertrauen gestärkt. Klar konnte gezeigt werden, dass ein Kumite-Training von Weiß- bis Schwarzgurt mit diesen Trainingsmethoden möglich ist.
Schließlich lag auch, wie es immer gelten sollte, die stetige Vervollkommnung der eigenen Karate-Techniken im Fokus. Durch den langsamen Beginn der Übungen bekommen wir ein schnelles und direktes Feedback über unsere Fähigkeit, die Trefferzone genau einzuhalten – ein weiterer Trainingsschwerpunkt. Ronny Repp führte jedem einzelnen anschließend, durch einfache Steigerung der Trainingsgeschwindigkeit, klar vor Augen wie schnell die Technik nicht mehr exakt im gewünschten Zielbereich liegt und wie viel Übung und tausendfache Wiederholung eine vollkommene Technik erfordert. Nur durch häufiges und regelmäßiges Training können wir unsere Technik verfeinern und verbessern, so dass auch Verletzungen beim Trainingspartner ausbleiben
In der exakten Technikausführung lag ein weiterer und nicht unwichtiger Erfahrungsschatz dieses Trainings .Was bringt schon die beste Karatetechnik wenn sie nicht das gewünschte Ziel erreicht? Blaue Flecken? Nur ein exakter Treffer auf die empfindlichen Bereiche des menschlichen Körpers, wie es beispielsweise der Solarplexus - ein zentraler Teil des Nervensystems - darstellt, wird auch Wirkung erzielen.
Mit schnellen Kizami-Gyaku-Zuki-Folgen war dann am Schluss des ersten Trainings jeder doch schon nassgeschwitzt.
Leckere Kuchen, belegte Brötchen und gekühlte Getränke versüßten einem die Pause dann zusätzlich. Jene, die doch noch die ein oder andere Blessur mitgebracht oder im Training davongetragen haben, durften sich auch bei einem Physiotherapeuten mit Kinesio-Tapes die Wehwehchen behandeln lassen und, wenn es geholfen hat, gestärkt wieder ins Training zurückkehren.
Anschließend setzten wir uns nach der Pause ins Dôjô und konnten uns wieder von der charismatischen Art des Senseis überzeugen, wie er es schafft eine große Kinder- und Jugendgruppe mit unerschöpflicher Geduld zu Motivieren und ins Training einzubeziehen. So wurde Beispielsweise das Aufwärmtraining gemeinsam und anhand der Lieblingsübungen der Kleinen gemeinsam erarbeitet.
Das zweite Training der Erwachsenen baute nahtlos auf das Vorige auf. Diesmal lag der Schwerpunkt zusätzlich auf verschiedenen Kombinationen und dem Fintieren. „Auf die Verpackung kommt es an!“ war diesmal das Motto.
Meister Repp erläuterte dies am Beispiel des Kizami-Zukis:
“Warum ist ein normaler Kizami-Zuki im Wettkampf wenig erfolgreich? Weil der Gegner in sieht und mit einer kurzen Bewegung blocken (ablenken) kann. Deshalb muss man die Technik tarnen, verstecken, jedesmal anders verpacken eben!”
Durch Fintieren mittels leichter Berührung der Führhand des Trainingspartners konnte Beispielsweise die nötige Ablenkung erzeugt werden, um den Kizami-Zuki erfolgreich ins Ziel zu bringen.
Gegen Ende des Trainings wurden die Kombinationen immer freier und schließlich mit der „Technik der 1000-armigen Krake“ abgeschlossen. Wie, noch nie etwas davon gehört? Mancher nennt dies auch Randori. Randori ist kein Freikampf sondern eine sehr freie Form des Partnertrainings, bei der es mehr darum geht, ein Gespür für den Fluss eines Kampfes, der Bewegungen und der eingesetzten Kraft zu bekommen. Dabei ist es nicht zielführend, wie im Kampf um jeden Preis Treffer zu erzielen, es geht beim Randori keinesfalls ums Punkten, sondern gemeinsam mit dem Partner Treffer leicht, eben wie eine 1000-armige Krake, zu parieren oder aber auch mal bei gut ausgeführten Angriffen auch Treffer zuzulassen – eben ganz nach Gichin Funakoshi`s Leitsatz:
"Das höchste Ziel im Karate-Do ist nicht der Sieg oder die Niederlage, sondern die Perfektion des menschlichen Charakters"
Mittlerweile war die Luft im Dôjô vom Schweiß der Trainierenden nahezu gesättigt, so dass selbst die Fensterscheiben, sehr zum Vergnügen des Senseis, beschlagen waren.
Für Interessierte bestand nach dem Training noch die Möglichkeit bei einer Einführung in die traditionelle Zen-Meditation mitzumachen.
Karin, Günther und Ich hatten aber noch das Vergnügen, den Heimweg quer durch Stuttgart im VFB-Heimsiegstau zu meistern – was im endlosen Stau einer Zen-Meditation nahe kam und die Geduld auf die Probe gestellt hatte.
Oss!
Thomas
Fröhliche Gesichter beim Aufwärmen ...
... unter den Augen eines kritischen Publikums.
Aufmerksam wird verfolgt, wie Meister Repp es vormacht.
Hier waren wohl die Hosenbeine hinderlich :-)
Den “Gegner” fest im Blick!