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Zum Ostereier suchen haben wir, Karin und ich, nicht mehr so ganz das richtige Alter, und das Lamm, welches wir nicht essen wollten, erfreut sich hoffentlich noch bester Gesundheit, die Riten des heidnischen Fruchtbarkeitsfestes sagen uns auch nichts mehr und zur „modernen“ Auslegung habe ich bisher noch keinen Zugang gefunden.
So bleibt die Frage: Was tun, an Ostern?
Ein Blick in die Lehrgangsliste ließ Hoffnung aufkommen, vom 19. bis zum 21. April, also Ostersamstag,, -Sonntag und -Montag, war ein Lehrgang in Saarbrücken angesagt,
der 1. Oster-Lehrgang mit Hans Körner, 6. Dan, Julian Chees, 5. Dan und Detlef Krüger, ebenfalls 5. Dan.
Ausrichter des Lehrganges war das Dôjô Shotokan Karate Mandelbachtal, mit Ahmet Sönmez an der Spitze.
Wenn man die Anreise am Freitag plant und über Frankreich fährt, eine Übernachtung an einem kleinen Hafen an einem der vielen Kanäle vorsieht, wird sogar so etwas wie ein kleiner Urlaub daraus.
Und genau so haben wir es dann umgesetzt.
Die Fahrt bis nach Karlsruhe war etwas zäh, mit Staus im Baustellenbereich, aber ab Frankreich war ein sehr entspanntes Fahren, weitab von den vielen Staus möglich.
An einem kleinen, idyllischen Stellplatz (2 Wohnmobile maximal!)
richteten wir uns für die Nacht ein und ein Spaziergang im Sonnenschein sorgte für das erhoffte Urlaubsgefühl.
Am Samstag morgen hatten wir nur noch eine Stunde Fahrtzeit durchzustehen und kamen rechtzeitig an, um einem Stück Kuchen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen. Die wenigen Bilder des Trainings stammen ebenfalls vom Samstag morgen.
Der Trainingsplan las sich anspruchsvoll, von 12:15 bis 18:00 Uhr galt es drei Trainingseinheiten von je 75 Minuten zu absolvieren. Und wie sich dann herausstellte, bekamen wir - weil wir so gut waren(?) - jedes mal noch einige Minuten umsonst dazu!
Samstag: Kumite mit Krüger Sensei
Meister Krüger erklärte uns gleich am Anfang, was sein Trainigsziel des Osterlehrganges ist:
„Ihr sollt früh erkennen, dass ein Angriff kommt und euch rechtzeitig in die richtige Position für Block und Konter bringen, dabei ist das Erkennen des Angriffs (welche Technik), die richtige Distanz und ein sicherer Stand wichtig.“
Dieses Ziel wurde in einzelne Etappen zerlegt und geübt.
An dieser Stelle muss ich meiner Begeisterung über das planvolle und aufeinander aufbauende Training von Detlef Krüger Ausdruck geben. Da wirkte nichts zwischendurch erfunden, was dann erfahrungsgemäß oft nicht funktioniert und eher verwirrt als nutzt, sondern es waren durchdachte Bausteine, die zum Schluss nahtlos aufeinander passten.
Baustein Nummer 1:
Als erstes übten wir einen schnellen Richtungswechsel um 90 Grad durch „Umspringen“, allerdings sollte nicht gesprungen werden, sondern beide Beine gleichzeitig einen Gleitschritt ausführen.
Man kann sich vorstellen, aus Migi Zenkutsu Dachi auf beiden Fußballen gleichzeitig 90 Grad nach links abzudrehen, als Resultat ergibt sich in etwa ein Hidari Zenkutsu Dachi.
Das Problem dabei ist, das sich das Verhältnis von Standlänge zu Standbreite von 2:1 umkehrt zu einem Verhälnis von 1:2, man steht also zu kurz und zu breit, deshalb der „Hüpfer“ mit Gleitschritt.
Nach vollzogenem Richtungswechsel wurde die Übung durch Block (Te Nagashi Uke) und Konter (Gyaku Zuki) erweitert, also Richtungswechsel, Block mit Okuri Ashi rückwärts und Okuri Ashi mit Gyaku Zuki vorwärts.
Nach dem Richtungswechsel wurde eine kleine Pause eingebaut, um sozusagen auf den Angriff zu warten. Später wurde die Übung durch eine zweite Variante erweitert, das Warten auf den Angriff entfiel, so dass der Okuri Ashi unmittelbar nach dem Richtungswechsel auszuführen war.
Baustein Nummer 2:
Der eingeübte Bewegungsablauf wurde nun durch Partnertraining realistischer gestaltet. Dazu wurden Dreiergruppen gebildet, der Verteidiger in der Mitte, ihm gegenüber der erste Angreifer und seitlich von ihm der zweite Angreifer.
Zu Beginn hatte der Verteidiger das Kommando, er war der Impulsgeber, indem er durch den schon bekannten schnellen Richtungswechsel sich dem seitlichen Angreifer zuwandte, darauf folgte der Angriff (Kizami Zuki), Block und Konter wie vorher gelernt.
Um nicht in den metronomartigen Trott von Richtungswechsel - Block - Konter zu verfallen, sollte der Angreifer mit dem Timing variieren, also sofort nach dem „Impuls“ angreifen oder noch etwas warten. Da kam es dann schon des öfteren vor, dass der Block schneller als der Angriff war.
Als Abschluss wurde es ein klein wenig stressiger, denn der Impuls zur Aktion kam vom Angreifer in Form eines Ki-Ai, dies war die Aufforderung zum Richtungswechsel des Verteidigers, der Rest der Aktion blieb gleich.
Samstag: Kumite mit Körner Sensei
Meister Körner kann man ganz sicher als Karate-Urgestein betiteln und dazu passt auch seine kurze Erklärung zu Beginn der Übungsstunde, in der er auch seine Vorstellung von Karate erläuterte:
„Es gibt verschiedene Vorstellungen von Karate, ich toleriere sie alle, aber mein Karate ist das Ippon-Karate!
Und das ist auch schon alles. Meiner Meinung ist eine Unterscheidung in Kampf-Karate, Wettkampf-Karate und was es sonst noch so gibt nicht richtig, es gibt nur - Karate.“
Er betonte dann noch (und später immer wieder), dass zum Ippon-Karate unbedingt Kime bei jeder Technik gehört und dass Kime nur durch Lockerheit während der Ausführung und erst am Ende einer Technik durch Stärke erzielt werden kann.
Das Üben dieses Wechselspiels von Lockerheit und Stärke zog sich als roter Faden durch sein Training.
Zum Warmwerden begann die Stunde mit Randori, locker aber immer schneller werdend, eine willkommene Abwechslung zu Hampelmännern.
Gut vorgeglüht übten wir anschließend das Vorgehen im Wechsel von Okuri Ashi (später mit Kizami Zuki) und Yori Ashi (später mit Gyaku Zuki), im Rückwärtsgang kehrte sich das dann um zu Yori Ashi / Gyaku Zuki und Okuri Ashi / Kizami Zuki.
Das Rückwärtsgehen dieser Art fühlte sich derart fremd an, entsprechend wenig flüssig waren die Bewegungen und Hans Körner meinte anschließend:
„Ihr seht, sobald man von den bekannten Abläufen etwas abweicht, fühlt man sich wieder als Gelbgurt.“
Beendet wurde die Trainingseinheit durch Partnerübungen, wie zum Beispiel:
Beide Partner Migi Mae Geri, absetzen nach hinten, danach führt ein Partner einen zweiten Migi Mae Geri aus, diesmal mit Absetzen vorne, der andere Partner macht einen Suri Ashi zurück und blockt mit Nagashi Uke und kontert mit demselben Arm mit Uraken.
Samstag: Bunkai mit Chees Sensei
Das nächste Training bildete eine willkommene Abwechslung, welche diesmal besonders die kleinen grauen Zellen forderte. Auf seine unnachahmliche Art lernten wir bei Meister Chees eine Bunkai zur Heian Shodan.
Dazu wurden Dreiergruppen gebildet, ein Verteidiger (Kata) und zwei Angreifer.
Es war nicht jedermann sofort ersichtlich, dass es sich bei der Kata um die Heian Shodan handelte, dies hat Julian Chees erst am Schluss verraten.
Der Grund war, dass die Drehungen nicht in den Gegner hinein, sondern von diesem weg, über den Rücken ausgeführt wurden. So wurde zum Beispiel die Übung damit begonnen, dass der rechte Fuß nach vorn gesetzt wurde und nach einer Drehung auf beiden Fersen nach links hinten der Gedan Barai ausgeführt wurde, gefolgt von einem Mae Te Zuki, danach wurde der hintere rechte Fuß nach links versetzt und eine Drehung um 180 Grad mit Gedan Barai durchgeführt.
Die gelernte Bunkai Sequenz war phantasievoll und komplex, diese hier wiederzugeben wäre zuviel verlangt, das muss man selbst sehen, oder noch besser, selbst üben.
Samstag Abend
Damit war der erste, wirklich gute Trainingstag auch schon vorüber und wir bekamen die Adresse eines italienisches Restaurants für das gemeinsame Abendessen mitgeteilt. Dieses Restaurant sah sich mit der Aufgabe konfrontiert, eine Horde hungriger und durstiger Krieger zufrieden zu stellen.
Es lag im Zentrum von Saarbrücken und so begab es sich, dass sich einzelne Gruppen von ihrem jeweiligen Übernachtungsort aus, mit GPS Geräten ausgerüstet, auf einen Sternmarsch in Richtung Stadtzentrum aufmachten.
Dass Essen war gut, aber meiner Meinung nach für den Preis zu wenig, oder eben für die Größe der Portionen zu teuer.
Dafür gab es die gute Stimmung umsonst, und das auch noch reichlich.
Und Karin lässt ausrichten: Ahmet, herzlichen Dank für die Rose!
Nach dem Marsch zurück fanden die Beine endlich ihre wohl verdiente Ruhe.
Sonntag: Kumite mit Krüger Sensei
Das Training knüpfte nahtlos an jenes vom Samstag an.
Baustein Nummer 3:
Als nächste Stufe wurde der Angriff variiert, es durfte wahlweise, ohne Ansage, Kizami Zuki oder Oi Zuki Jodan zum Einsatz kommen.
Die Schwierigkeit wurde immer weiter gesteigert, indem zum Beispiel die Reaktionszeiten für den Verteidiger immer weiter gekürzt wurden. Sofort nach dem Ki-Ai des Angreifers musste der Verteidiger die Wendung vollziehen, der Angriff selbst (einer von zwei möglichen) durfte unmittelbar nach der Wendung des Verteidigers durchgeführt werden.
Sonntag: Bunkai mit Chees Sensei
Chees Sensei bereicherte den Sonntag mit dem Lehren einer anspruchsvollen Bunkai zur Kata Nijushiho. Sehr zu meiner Freude, schließlich ist Bunkai meine Lieblingsdisziplin, Karate als Kampf unter Einbeziehung des gesamten Schatzes an Techniken.
Sonntag: Kumite mit Körner Sensei
Auch Meister Körner machte in seiner zweiten Trainingseinheit dort weiter, wo er gestern aufgehört hatte. Nach etwas Wiederholung zum Wieder-Hineinfinden wurde die zu übenden Techniken immer komplizierter. Die letzte Übung, die mir im Gedächtnis blieb, verlief so:
Beide Partner Mae Geri, hinten absetzen.
Danach beide Partner Mawashi Geri, der Verteidiger (rückwärts laufend) setzt hinten ab, der Angreifer setzt so knapp wie möglich vorn ab und greift erneut mit Ushiro Geri gefolgt von Uraken an, der Verteidiger gleitet zurück und versucht dem Uraken mit einem Gyaku Zuki zuvor zu kommen.
Dieser letzte Stunde des Sonntags-Trainings war ideal dazu geeignet, die letzten Kraftreserven zu mobilisieren um sich dafür dann, später am Abend, rundum erschlagen aber so richtig gut zu fühlen.
Sonntag Abend
Am Sonntag sollte es in ein anderes Restaurant gehen, wir (Karin und ich) machten den Fehler, uns nicht die Adresse zu merken, sondern nur, dass es direkt neben dem Hotel Ibis sein sollte.
Rechtzeitig verließen wir das Wohnmobil, das Navi damit beauftragt, uns zum Hotel zu leiten. Die Wegstrecke war mit 2 km den strapazierten Beinen durchaus noch zuzumuten.
Am Hotel angekommen gab es lange Gesichter, kein mexikanisches Reastaurant weit und breit, dafür die Information eines Hotelangestellten, dass es nicht nur ein Ibis Hotel in Saarbrücken gäbe. Tja - wir Landeier!
Also nochmals per Navi recherchiert, das Ziel eingegeben unsd wieder los marschiert, langsam mit heißen Fußsohlen.
Nach alles in allem einer Stunde strammen Marschierens waren wir am Ziel, gemäß der Philosophie von Julian Chees, sich immer um ein Plus zu bemühen!
Das mexikanisches Restaurant, an welches diesmal die Rolle des Marketenders vergeben wurde, war ein Volltreffer. Wir wurden zwei Treppen tief in den Keller verfrachtet, so mussten wir uns keine Sorgen machen, andere Gäste, die ein beschauliches Essen zu zweit vorzogen, über Gebühr zu belästigen.
Die Bedienung war ungewohnt aufmerksam, das Essen kam schnell und nahezu gleichzeitig und war sehr schmackhaft. Es bleibt einzig die Frage offen, wer mehr schwitzen musste, das Personal beim Schleppen der Teller (oder waren es Platten?), oder wir, die wir die Teller räumen durften.
Nach dem Essen kam die Zeit der Dankesreden. Ahmet bedankte sich besonders für das Engagement der Trainer, was allgemeinen Beifall fand, aber er fand auch kritische Worte der Tatsache wegen, dass es nicht gelungen war, mehr Karateka aus der näheren Umgebung zu mobilisieren, das wird die Aufgabe für den nächsten Osterlehrgang sein.
Auch Meister Körner hielt eine kurze Ansprache, in der er jeden einzelnen aufforderte, im Karate nicht zu versuchen andere zu kopieren, sondern jeder einzelne muss - im Rahmen natürlich - sein eigenes Karate finden.
Er trieb es auf die Spitze, indem er mit einem Augenzwinkern meinte:
“Wir drei sind sowieso einmalig!”
Montag:
Sonderservice am Montag Morgen: Rührei mit Schinken!
Im Einverständnis mit den Teilnehmern wurde beschlossen, die beiden noch ausstehenden Trainingseinheiten zu einer etwas längeren Einheit zusammen zu legen, das ermöglicht eine etwas frühere Heimreise. Für das Ende der Osterfeiertage sicher eine gute Entscheidung.
Montag: Kumite mit Krüger Sensei
Detlef Krüger baute sein Training konsequent aus.
Baustein Nummer 4:
Zum Einstimmen gab es einige Runden Jiyu Ippon Kumite.
Im Anschluss daran zeigte uns Meister Krüger verschiedene Varianten des Ausweichens, unterteilt in Tai Sabaki und Suri Ashi.
Hierbei war ihm besonders wichtig, dass wir uns sofort bewegen und nicht vorher unnötige kleine Schritte einbauen, wie zum Beispiel den vorderen Fuß ein kleines Stück zurück zu ziehen, bevor man sich mit diesem Fuß abstößt, um aus dem Gefahrenbereich zu kommen. Es sind diese Kleinigkeiten, die man sich angewöhnt hat, welche sich nur schwer wieder abgewöhnen lassen.
Da kann jeder glücklich sein, wenn er Trainer hat die nicht müde werden, solche Fehler immer wieder zu korrigieren.
Und das Schwierigste hat sich Meister Krüger bis zum Schluss aufgehoben.
Der Angreifer durfte zwischen Oi Zuki und Gyaku Zuki wählen, wichtig war, dass er nach dem Angriff die Arme wieder in Verteidigungsposition brachte.
Der Verteidiger sollte seitlich ausweichen, mit richtiger Distanz, richtiger Ausrichtung zum Angreifer und festem Stand ohne zu korrigieren, und dann zwei mal mit derselben Technik (demselben Arm) kontern.
Die Techniken mussten gleich und dadurch vergleichbar sein, denn das Lernziel war, die eigene Technik bezüglich ihrer Qualität einzuschätzen und die zweite Technik mindestens so gut wie die erste auszuführen.
War die erste Technik gelungen, zum Beispiel ein Jodan Zuki, sollte die zweite Technik ebenfalls Jodan sein.
War die erste Technik nicht so gut (falsche Distanz, Schlag in die Deckung), konnte die Distanz korrigiert oder das Ziel ausgewechselt werden.
Demnach war nicht erlaubt:
Um den Fokus einmal mehr auf die erste Technik und einmal mehr auf die zweite zu legen, wurden entsprechend Ki-Ai eingebaut.
Und der Höhepunkt: Es durfte nur noch einmal gekontert werden, dafür aber sollte der Ki-Ai vor der zweiten Technik kommen, sozusagen als Kunstpause für den kurzen Augenblick, um das richtige Ziel in’s Auge zu fassen.
Wer es nicht versucht hat, mag es nicht glauben, entweder war der Ki-Ai mit dem Block oder aber mit dem Konter synchron. Das bewog Meister Krüger dazu, sich hinzustellen, einen Ki-Ai auszustoßen und zu bemerken:
“Ich habe eben den Selbstversuch überlebt und doch, es geht schon!”
So ging auch das letzte Training dieses äußerst interessanten Lehrganges zu Ende. Ich war müde, mit blauen Flecken reichlich versorgt, aber tief zufrieden.
Ein aufrichtiges Dankeschön an alle Beteiligten, diesmal besonders auch an die Otagai, denn Kumite und Bunkai gelingen nur in Kooperation, und es hat nur Spaß gemacht!
Abreise
Für die Heimfahrt wurden wir mit einem Baguette beschenkt, welches wir auf halber Strecke, noch in Frankreich, zu Sandwiches verarbeiteten, so endete das erlebnisreiche Osterwochenende wie es angefangen hatte, mit dem Gefühl Urlaub zu machen und einer weiteren Heimfahrt auf der staugeplagten A8.
Oss!
Günther